Recht

Gesetz zur Brückenteilzeit am 01.01.2019 in Kraft getreten

 

 

 

Laut statistischem Bundesamt arbeiten rund 14 Millionen Menschen in Deutschland in Teilzeit, davon gut 11 Millionen Frauen.

 

Dies hängt maßgeblich damit zusammen, dass es nach wie vor die Frauen sind, die die Betreuung der Kinder, die Pflege von Angehörigen oder schlicht die Aufgaben im Haushalt übernehmen. Daher ist es auch genau die Gruppe der Erwerbstätigen die in der sogenannten „Teilzeitfalle“ stecken. Für die meisten Erwerbstätigen ist es kaum möglich von der Teilzeitbeschäftigung zurück oder in eine Vollzeitbeschäftigung zu wechseln, obwohl das Teilzeit- und Befristungsgesetz diese Möglichkeit bereits bietet.

 

Dies hat die GroKo jetzt entsprechend des Koalitionsvertrages von 2018 aufgegriffen und im Teilzeit-und Befristungsgesetz die Möglichkeit geschaffen für eine Dauer von mindestens einem bis zu fünf Jahren ohne konkreten Anlass in Teilzeitbeschäftigung zu wechseln und nach Ablauf der Teilzeitphase wieder die ursprüngliche Wochenarbeitszeit in Anspruch zu nehmen.

 

Anspruch auf die Brückenteilzeit haben Beschäftigte, die länger als sechs Monate bei einem Arbeitgeber beschäftigt sind, der regelmäßig mehr als 45 Beschäftigte hat (ohne Azubis).

 

Die Brückenteilzeit muss mindestens drei Monate vor dem gewünschten Beginn schriftlich beim Arbeitgeber beantragt werden. Der Arbeitgeber muss den Antrag mit dem Beschäftigten erörtern.

 

Nach einer für den Arbeitgeber verpflichtenden „Anhörung“ des Beschäftigten kann der den Antrag aus betrieblichen Gründen oder wegen Unzumutbarkeit ablehnen.

 

Betriebliche Gründe: Ein betrieblicher Grund liegt vor, wenn die Organisation des Betriebs, der Arbeitsablauf oder die Sicherheit des Betriebs wesentlich beeinträchtigt ist, oder wenn das Teilzeitverlangen unverhältnismäßig hohe Kosten verursacht. Die Ablehnung muss dem Beschäftigten dann spätestens einen Monat vor geplantem Beginn der Brückenteilzeit schriftlich, unter Angabe der Ablehnungsgründe, mitgeteilt werden. Wird diese Frist nicht eingehalten, gilt der Antrag als genehmigt. Wurde ein Antrag fristgerecht abgelehnt, kann ein neuer Antrag erst nach Ablauf von 1 Jahr gestellt werden.

 

Unzumutbarkeit: Die Unzumutbarkeitsklausel gilt nur in Betrieben mit bis zu 200 Beschäftigten. In Betrieben bis zu 60 Beschäftigte muss das Unternehmen nicht mehr als vier Beschäftigte die Brückenteilzeit gewähren, von 61-75 Beschäftigten fünf, von 76-90 Beschäftigten sechs usw.

 

mw

 

Oft gestellte Fragen von KollegInnen zur Arbeitszeit (Teil II)

 

Kann ich an einem „freien“ Tag zum Dienst verpflichtet werden, wenn kurzfristig Ersatz für einen erkrankten Kollegen zu organisieren ist („Holen aus dem Frei“)?

 Bei dieser Frage sind Theorie und Praxis schwer zu vereinbaren!

 Das Arbeitsrecht besagt:

 

  • Die Festlegung der Arbeitszeit ist Direktionsrecht des Arbeitgebers (in Funktion: Wohnstätten-Leitung). Dieses Recht ist mit dem Erstellen des Dienstplans verbraucht.
  • Teilzeitbeschäftigte sind zur zusätzlich angeordneten Arbeitsleistung nur dann verpflichtet, wenn eine Ankündigungsfrist von mindestens vier Tagen gewahrt ist.

 

Die korrekte Lösung wäre eine Rufbereitschaft, die im Dienstplan als Arbeitszeit erfasst wäre und KollegInnen bei Anruf zum Dienst beordert. Diese Regelung gibt es im Wohnstätten-Bereich nicht, daher die Empfehlung:

 

  • Es ist legitim, bei Anruf „Nein“ zu sagen; oder nicht erreichbar zu sein!
  • Kommt nach eigenem Dafürhalten das „Holen aus dem Frei“ zu oft vor è Gespräch mit Wohnstätten-Leitung bzw. auf einer Teamsitzung thematisieren
  • Sollte es sich um eine Dienstanordnung handeln, ihr unbedingt Folge leisten
  • Darauf bestehen, dass die zusätzlich erbrachte Arbeitsleistung zeitnah durch einen freien Arbeitstag ausgeglichen wird

 

Habe ich einer Dienstplanung zuzustimmen, die meine arbeitsvertraglich vereinbarte Wochenarbeitszeit erheblich unterschreitet (Minusstunden)?

 

Sobald der Dienstplan veröffentlich ist, sollte jede/r prüfen, ob die geplante Arbeitszeit richtig ist. Eine explizite Zustimmung ist nicht erforderlich. Sollte die Planung jedoch nicht mit geltendem Arbeitszeitrecht übereinstimmen oder persönliche Belange völlig außer Acht lassen, so sollte der Änderungswunsch umgehend angezeigt werden.

 

Aufgrund des Direktionsrechtes hat der Arbeitgeber das Recht, die Arbeitszeiten zu planen. Dabei kann es auf einen Planungszeitraum (einen Monat) zur Über- oder Unterplanung kommen. Hier gilt zunächst die jährliche Arbeitszeit als Grundlage. D.h.: wer mit Über- oder Minusstunden geplant ist, muss i.d.R. innerhalb eines Jahres einen Ausgleich erhalten. In besonderen Fällen auch früher. Bei der Planung sind die Arbeitszeitrichtlinien sowie die Vorgaben des Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) einzuhalten. Eine Zustimmung der Dienstplanung oder der Verlängerung eines Dienstes (kann auch nachträglich erfolgen) muss durch den Betriebsrat erfolgen.

 

Direktionsrecht des Arbeitgebers: „Darf der das?“

 

Immer wieder fragen Kollegen und Kolleginnen, ob z.B. die Lage der Arbeitszeit oder der Inhalt der Arbeitsaufgaben „einfach so“ durch den Vorgesetzten verändert werden darf.

 

Als Direktionsrecht wird das Recht des Arbeitgebers bezeichnet, die im Arbeitsvertrag oft nur allgemein umschriebenen Pflichten einseitig näher auszugestalten und durch Weisungen zu konkretisieren. Rechtsgrundlage des Direktionsrechts ist die Vorschrift des § 106 Gewerbeordnung (GewO). Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung sowie die Ordnung und das Verhalten der Beschäftigten im Betrieb nach billigem Ermessen näher bestimmen. „Billiges Ermessen“ im Sinn des § 315 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bedeutet, dass die beiderseitigen Interessen angemessen berücksichtigt werden müssen, z.B. Veränderungen bezüglich Einsatzort und Verteilung der Wochenarbeitszeit. Weisungen dürfen erteilt werden bezüglich Art, Qualität und Ort der Arbeit, der Arbeitszeit und ihrer Aufteilung, Überstunden, Pausenregelungen, Urlaub, Betriebsferien und dem Ordnungsverhalten.

 

Das Weisungsrecht des Arbeitgebers wird begrenzt durch die Festlegungen im Arbeitsvertrag, durch Gesetze, Tarif- und Betriebsvereinbarungen. Anweisungen zur Länge und Lage der Arbeitszeit finden so ihre Einschränkung in den Arbeitszeitgesetzen und Urlaubsregelungen durch Tarifvertrag und Bundesurlaubsgesetz. Gerichtsurteile konkretisieren das Weisungsrecht in Einzelfallentscheidungen und bilden damit einen Orientierungsrahmen für die

Ausgestaltung und Grenzen des Direktionsrechts.

Ist der Arbeitnehmer nicht einverstanden mit der Anweisung des Arbeitgebers, so kann er gerichtlich überprüfen lassen, ob die ergangene Weisung durch das Direktionsrecht gedeckt ist.

 

Es ist auf jeden Fall der Anordnung zunächst Folge zu leisten: ein unberechtigter Urlaubsantritt oder eine „Arbeitsverweigerung“ kann eine Abmahnung, im Extremfall eine Kündigung nach sich ziehen.

 

Der Betriebsrat ist – nicht in den Einzelfällen, aber kollektivrechtlich – in den meisten Regelungsbereichen in der Mitbestimmung. Er muss informiert werden und zustimmen z.B. bei Regelungen zur Lage der Arbeitszeit, Überstunden, Pausenregelungen, Betriebsferien und Ordnungsverhalten. Auch er kann vom Arbeitgeber getroffene Anweisungen vom Arbeitsgericht überprüfen lassen.

 

Arbeitsgericht Gießen pro ver.di-Position

 

Ob die Aufwertungskampagne 2015 aussagt, dass auch KollegInnen mit einem Vergleichsentgelt Anspruch auf die vereinbarte prozentuale Erhöhung haben, ist nach wie vor ungeklärt und muss gerichtlich geklärt werden.

 

Stellvertretend für ver.di und VKA führen Herwig Selzer und die Lebenshilfe Gießen einen Arbeitsgerichtsprozess. Das Arbeitsgericht Gießen hat in erster Instanz für die ver.di-Position entschieden, was sehr gut ist.

In der Begründung heißt es, es sei kein Sachgrund zu erkennen, dass die vereinbarten Tariferhöhungen nicht für alle TVöD-Beschäftigten gelten und eine Gruppe aus dieser Einteilung herauszunehmen sei. Eine Herausnahme vieler sich in Zwischenstufen befindlichen Beschäftigten aus den Tariferhöhungen kann nicht Sinn und Zweck der auslegungsfähigen tariflichen Klausel sein.

Die VKA hat beim Hessischen Landesarbeitsgericht Berufung eingelegt. Knapp 40 KollegInnen der Lebenshilfe Gießen, die auf Empfehlung des Betriebsrats die Geltendmachung ihrer Ansprüche beantragt haben, müssen weiter abwarten.

 

Mindest Lohn Gesetz

 

Seit 2015 gibt es dieses Mindestlohngesetz und die deutsche Wirtschaft ist nicht daran zugrunde gegangen wie Industrie- und Arbeitgeberverbände befürchtet hatten. Im Gegenteil, die Kaufkraft hat zugenommen und die Sozialkassen haben auch davon profitiert.

Alle zwei Jahre wird der Mindestlohn von einer Kommission aus Vertretern der Arbeitgeber, Gewerkschaften und einem neutralen Vorsitzenden neu festgesetzt. Ab dem 01.01.2017 steigt der Mindestlohn von 8,50 € auf 8,84 € im Bereich West und kann abhängig von der Branche auch höher sein.

Im Bereich Pflege beträgt der Mindestlohn ab dem 01.01.2017 10,20 €. Nachfragen und Diskussionen beschäftigen sich immer wieder mit dem Thema und der Frage, ob dieser Mindestlohn auch für unsere Einrichtungen gilt. In der Regel sind die Einrichtungen der Behindertenhilfe keine Pflegeeinrichtungen, obwohl auch pflegerische Tätigkeiten ausgeübt werden. Das sagt auch die zweite Pflegearbeitsbedingungenverordnung in ihrem § 1 Geltungsbereich:

„Diese Verordnung gilt für Pflegebetriebe. Dies sind Betriebe und selbstständige Betriebsabteilungen, die überwiegend ambulante, teilstationäre oder stationäre Pflegeleistungen oder ambulante Krankenpflegeleistungen für Pflegebedürftige erbringen. Keine Pflegebetriebe im Sinne des Satzes 2 sind Einrichtungen, in denen die Leistungen zur medizinischen Vorsorge, zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben oder am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung kranker oder behinderter Menschen im Vordergrund des Zwecks der Einrichtung stehen, sowie Krankenhäuser.“

Das Mindestlohngesetz sieht keine Öffnungsklausel durch Arbeitsvertrag, Betriebs-vereinbarung oder Tarifvertrag für Bereitschaftsdienste vor mit der Konsequenz, dass für jeden angeordneten Bereitschaftsdienst ab 01.01.2017 ein Entgelt von mindestens 8,84 Euro brutto je Stunde zu zahlen ist. Dies gilt vor allem im Bereich der stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe und der stationären Jugendhilfe.

Im Bereich der Pflege besteht die Möglichkeit einer pauschalierten, zeitanteiligen Vergütung für Bereitschaftsdienste, wenn diese Sonderregelung auch arbeitsvertraglich oder kollektivrechtlich vereinbart ist, z.B. analog den Bedingungen des TVöD.

Auch wer in einem 450-Euro-Job ("Minijob") arbeitet, hat Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Das heißt, dass Minijobber/innen momentan pro Monat höchstens 52,94 Stunden arbeiten müssen (8,50 Euro x 52,94 = 449,99 Euro) und ab 1. Januar 2017 höchstens 50,90 Stunden (8,84 Euro x 50,90 = 449,96 Euro).

Reiner Rathschlag